5. Erprobung des Simulationsprogramms

In diesem Kapitel wird das entwickelte Computerprogramm zur Simulation eines elektrischen Lastgangs in seiner Anwendung und Eignung erprobt. Dazu wird versucht, einen realen Lastgang nachzubilden. Es steht ein Lastgang eines Einfamilien-Haushaltes mit fünf Personen zur Verfügung. Er ist über den Zeitraum von einer Woche aufgenommen worden und liegt mit einer Abtastzeit von 1 Sekunde vor. Die notierten Schaltzeiten der einzelnen Haushaltsgeräte und der graphische Verlauf dieses Lastgangs sind dem Anhang A zu entnehmen.

Um einen elektrischen Lastgang nachbilden zu können, müssen die Ein- bzw. Ausschaltzeiten der einzelnen Haushaltsgeräte bekannt sein. Sie können mit einem IALM oder NALM System detektiert oder von Hand notiert werden. Auch können einige Schaltvorgänge aus der graphischen Darstellung eines Lastgangs "abgelesen" werden. Zu dem vorhandenen realen Lastgang sind einige Schaltzeiten notiert worden (Anhang A). Des Weiteren muss das Lastverhalten der Verbraucher während der Einschaltzeit bekannt sein. Dazu gehören die Art des Verbrauchers und der Verlauf der Leistung in den einzelnen Zuständen. Die Art ergibt sich aus der Klassifizierung der Endgeräte in Kapitel 3.2. Da für den realen Lastgang die Daten der einzelnen Haushaltsgeräte nicht bekannt und die Schaltzeiten recht dürftig notiert worden sind, wird die Nachbildung des Lastgangs in diesem Kapitel nur an Hand einzelner Ausschnitte durchgeführt. Es wird versucht, die Art und den Leistungsverlauf der Verbraucher so genau wie möglich an Hand des graphischen Verlaufs abzuschätzen

Bei dem aufgenommenen Lastgang ist ein "Muster" zu erkennen, welches sich ständig wiederholt. Das Intervall dieses Musters verkürzt sich bei einer höheren Leistungsaufnahme. Es ist daher zu vermuten, dass es sich dabei um einen Fehler in der Datenerfassung handelt. Dieser Fehler kann aus einer Unregelmäßigkeit der Zählerscheibe resultieren, da der Lastgang mit einem optischen Messsystem aufgenommen wurde. Dieses erkennt die Leistungsaufnahme durch die Messung der Momentangeschwindigkeit der Zählerscheibe. Die Scheibe muss dafür gerändelt sein. Dabei werden die Kerben dieser Scheibe erkannt und in Energiewerte umgewandelt. Da der Abstand der Kerben nicht immer gleich ist, kann das Muster aus dieser Ungenauigkeit herrühren. Mit einer Mittelwertbildung über mehrere Sekunden lässt sich dieser Fehler minimieren. Die Abbildung 5.1 (Seite 50) zeigt das Muster des realen Lastgangs mit einer Abtastzeit von 1 Sekunde. Der simulierte Lastgang wird mit einer konstanten Last von 165 Watt angezeigt. In der Abbildung 5.2 (Seite 50) sind die Lastgänge mit einem Mittelwert bzw. Abtastintervall von 60 Sekunden angegeben. Der simulierte Lastgang ist mit einer Streuung von 2 % + 10 Watt behaftet.

Es ist zu erkennen, dass die Streuung des simulierten Lastgangs nicht den Anspruch hat, einen Lastgang genau nachzubilden. Es soll vielmehr ermöglicht werden, einen Lastgang mit den gegebenen Daten der einzelnen Elektrogeräte simulieren zu können. Das gleiche gilt auch für die mit einer zufälligen Abweichung gewählten Periodendauern.

In allen Abbildungen dieses Kapitels beziehen sich die Titel der Diagramme auf den simulierten Gesamtlastgang. Der reale Lastgang ist immer grau dargestellt und der simulierte schwarz.

Abbildung 5.1:
Ausschnitt aus realem (grau) und simulierten (schwarz) Lastgang über 12 min.
 
Abbildung 5.2:
Realer Lastgang (grau) aus Abb. 5.1 mit einer Mittelwertbildung über 60 sek. Simulierter Lastgang (schwarz): Abtastzeit = 60 sek.; Streuung = 2% + 10 W.

Zuerst wird der Lastgang in der Nacht vom 18. zum 19.11.01 untersucht. Die Zeit ist zur Erkennung einzelner Verbraucher günstig, weil nachts nur wenige Geräte benutzt werden. Auch sind dann die Schaltintervalle von Kühlgeräten oft gleichmäßiger, da sie nicht so häufig geöffnet werden. Im realen Lastgang ist zu erkennen, dass in der zu untersuchenden Zeit ständig eine "Grundlast" von ca. 165 Watt dem Netz entnommen wird. Diese ist keinem erkennbaren Verbraucher zuzuordnen. Im Simulationsprogramm wird dafür ein permanenter Verbraucher eingegeben, der stetig eine Leistung dieser Größe aufnimmt. In dem gewählten Zeitraum sind drei Ein-Aus Verbraucher zu erkennen. An Hand der notierten Schaltzeiten des Kühlschranks und der Kühltruhe und der Untersuchung des Lastgangs an diesen Stellen, können zwei der Verbraucher zugeordnet werden. Zu den bekannten Einschaltzeiten der beiden Kühlgeräte werden auch andere Verbraucher geschaltet. Es ist daher schwierig, an diesen Stellen den Lastverlauf der einzelne Verbraucher eindeutig zu erkennen. Die Zuordnung der Kühlgeräte ist damit nicht zwingend, aber wahrscheinlich. Aus dem graphischen Verlauf sind die folgenden Daten abgeschätzt und mit dem Simulator nachgebildet worden.

Kühlschrank:
Startzeit: 18.11.01 / 23:23:26 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 5 %,
P-aus = 0 Watt,
P-1. Zustand:
   - 1. e-Funktion,
   - P-start = 2000 Watt,
   - P-end = 110 Watt,
   - T-stg. = 2 sek.,
   - T = 1259 sek.,
Stoppzeit: offen,
P-2. Zustand:
   - konstant,
   - P = 0 Watt,
   - T = 3243 sek.
 
Kühltruhe:
Startzeit: 18.11.01 / 23:09:59 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 0 %,
P-aus = 0 Watt,
P-1. Zustand:
   - 1. e-Funktion,
   - P-start = 3000 Watt,
   - P-end = 120 Watt,
   - T-stg. = 2 sek.,
   - T = 527 sek.,
Stoppzeit: offen,
P-2. Zustand:
   - konstant,
   - P = 0 Watt,
   - T = 2137 sek.

Der dritte Ein-Aus Verbraucher konnte keinem Gerät zugeordnet werden. Seine abgeschätzten Daten sind:

Kühltruhe:
Startzeit: 18.11.01 / 22:47:54 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 5 %,
P-aus = 0 Watt,
P-1. Zustand:
   - konstant,
   - P = 2150 Watt,
   - T = 77 sek.,
Stoppzeit: offen,
P-2. Zustand:
   - konstant,
   - P = 0 Watt,
   - T = 6431 sek.

Der simulierte im Vergleich zum realen Lastgang ist in Abbildung 5.3 (nächste Seite) zu sehen.

Abbildung 5.3:
Simulierter (schwarz) und realer (grau) Lastgang vom 18.11.01 / 22:30 Uhr bis zum 19.11.01 / 04:00 Uhr (ohne Streuung der Leistungswerte)
 
Abbildung 5.4:
Simulierter (schwarz) und realer (grau) Lastgang vom 18.11.01 / 22:43 Uhr bis 23:51 Uhr (Streuung der Leistungswerte = 2% + 10 Watt)

In der Abbildung 5.4 (vorherige Seite) sind die jeweils ersten Ein-Zustände der drei zuvor beschriebenen Verbraucher zu sehen. Dabei ist der simulierte Lastgang mit einer Streuung der Leistungswerte von 2 % + 10 Watt belegt. Aus den beiden Abbildungen 5.3 und 5.4 (Seite 52/53) ist zu erkennen, dass die Elektrogeräte in einer akzeptablen Näherung simuliert werden. Die Periodendauer der Kühltruhe ist ohne Streuung gewählt, weil sie im betrachteten Zeitraum einen nahezu konstanten zyklischen Ablauf ihrer beiden Zustände besitzt. Die Streuung der Periodendauer der beiden anderen Geräte ist mit 5 % angenommen. Die simulierten Zustände stimmen daher nicht genau mit den tatsächlichen überein. Es ist aber zu erkennen, dass sich auch diese Verbraucher simulieren lassen. Mit der in Abbildung 5.4 angenommenen Streuung der Leistungswerte lässt sich der reale Lastgang auch mit den Ungenauigkeiten der einzelnen Leistungswerte simulieren.

Als nächstes Beispiel wird der Backofen mit der Einschaltzeit am 23.11.2001 um 13:10 Uhr gewählt. Beim ersten Simulationsversuch waren die beiden Kühlgeräte noch im Modell vorhanden. Dabei wurde festgestellt, dass sie während der Einschaltzeit des Backofens diesem Lastverlauf überlagert sind. Dies war im Lastgang nicht klar ersichtlich. Sie werden nun mit angepassten Werten in die Simulation eingebaut. Die Grundlast von 165 Watt wird in die Simulation übernommen. Auch der im ersten Zeitraum erkannte dritte Ein-Aus Verbraucher wird mit gleichen Daten - jedoch einer neuen Startzeit (12:04:41 Uhr) - wieder verwendet. Des Weitern wird ein nicht näher zuzuordnender Verbraucher (Verbr. 90W) mit einer konstanten Last von 90 Watt integriert. Dieser wird während der Einschaltzeit des Backofens kurz ausgeschaltet. Im Folgenden sind die anderen Werte der Elektrogeräte aufgezeigt. In der Abbildung 5.5 sind die beiden Lastgänge über den gewählten Zeitraum im Vergleich abgebildet. Der simulierte ist darin ohne Streuung der Leistungswerte zu sehen. Die Abbildung 5.6 (Seite 56) zeigt den Ausschnitt über die Einschaltzeit des Backofens, der in der Simulation mit einer Streuung von 2 % + 10 Watt behaftet worden ist.

Verbr. 90W:
1. Startzeit: 12:03:33 Uhr,
1. Startzeit: 13:27:45 Uhr,
P-aus = 0 Watt,
1. Stoppzeit: 13:23:55 Uhr,
1. Stoppzeit: 13:48:54 Uhr,
P-ein = 90 Watt.
 
Kühlschrank:
Startzeit: 12:59:12 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 0 %,
P-1. Zustand:
   - Wie zuvor mit: T = 1400 sek.,
Stoppzeit: offen,
P-aus = 0 Watt,
P-2. Zustand:
   - Wie zuvor mit: T = 3250 sek.
 
Kühltruhe:
Startzeit: 12:15:13 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 0 %,
P-1. Zustand:
   - Wie zuvor mit: T = 536 sek.,
Stoppzeit: offen,
P-aus = 0 Watt
P-2. Zustand:
   - Wie zuvor mit: T = 2137 sek.
 
Backofen:
Startzeit: 13:12:30 Uhr,
Streuung der Fkt-Dauer: 0 %,
P-1. Zustand:
   - 1. e-Funktion,
   - P-start = 2200 Watt,
   - P-end = 0 Watt,
   - T-stg = T = 120 sek.,
   - Faktoren der ersten 3 Perioden:
     6,125 / 1,225 / 1,167 ,
Stoppzeit: 13:50:00 Uhr,
P-aus = 0 Watt,
P-2. Zustand:
   - konstant,
   - P = 0 Watt,
   - T = 3243 sek.
   - Faktoren der ersten 3 Perioden:
     0,55 / 0,75 / 1,0 .
Abbildung 5.5:
Simulierter (schwarz) und realer (grau) Lastgang vom 23.11.01 / 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr (Simulierter Lastgang ohne Streuung der Leistungswerte)
 
Abbildung 5.6:
Simulierter (schwarz) und realer (grau) Lastgang vom 23.11.01 / 13:10 Uhr bis 13:50 Uhr (Simulierter Lastgang mit einer Streuung der Leistungswerte von 2% + 10 Watt)

Der Versuch, auch einen Finite-State Verbraucher zu simulieren, scheiterte an dem unübersichtlichen Lastverlauf. Die nicht vollständig vorhandenen Schaltzeiten der Haushaltsgeräte lassen es nicht zu, die einzelnen Schaltvorgänge definitiv einem Verbraucher zuzuordnen. Die in diesem Kapitel gezeigten Beispiele zeigen aber, dass mit den Modellen des Simulationsprogramms ein Lastgang simuliert werden kann. Dabei ist es kaum möglich, einen tatsächlich vorhandenen Lastverlauf genau nachzubilden. Die vom Programm zufällig gewählten Werte müssten dazu alle genau eingegeben werden. Das ist gerade bei den Abweichungen der einzelnen Leistungswerte nicht durchführbar. Die Ein- und Ausschaltvorgänge können genau simuliert werden, wenn jede Einschaltperiode eines Gerätes als separater Verbraucher in das Simulationsmodell integriert wird.